Wenn das Digitale nur noch die eigenen Vorlieben, Interessen und Meinungen reproduziert – wie dies die Algorithmen von Google, Amazon und Facebook forcieren – dann verliert das Digitale seinen medialen Charakter. Es vermittelt nicht mehr ein Anderes, Neues, Fremdes, sondern fängt mich in der «Filter Bubble», und erlaubt, dass ich mit mir selbst identisch bleibe.

Das Digitale verändert mich dann gerade nicht, sondern reproduziert nur mich selbst. Wenn diese Identitäts-Reproduktion des Digitalen so perfekt geworden ist, dass man sie nicht mehr als Spiegel meiner selbst erkennen kann, spätestens dann wird die Krise etwas, das man herbeisehnt. Denn wenn ich beständig nur mit mir selbst umgeben bin, verliere ich die Möglichkeit der Veränderung. Die Krise ist der Moment, an dem ich mich ändern kann.
Vielleicht kann man sich bald die Dienste solcher Menschen kaufen, die Identitätskrisen produzieren, so wie man in der Moderne zunehmend Therapeuten aufgesucht hat, um aus der Krise herauszukommen. Jedenfalls würde dann ein wesentliches Moment einer Digitalmoderne darin bestehen, die Krise aufzusuchen und herbeizuführen zu können. Digitalmoderne Freiheit bedeutete in der Lage der totalen Identitätsreproduktion immer mehr, ein Bewusstsein davon zu entwickeln, was ich mit mir selbst unternehmen muss, um einem Anderen, einem Fremden, einem Schicksal die Erlaubnis zu geben, mich davon zu befreien, immer mit mir identisch bleiben zu müssen.
Literatur: Eli Pariser: Filter Bubble, München 2012
Bild: Spielzeugmuseum Riehen, Mai 2014